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Aktuelles aus Wirtschaft & Politik
Berücksichtigt man alle Preisbestandteile und setzt den Börsenstrompreis an, der sich durch- schnittlich im Monat November 2021 für den Strombezug im Jahr 2022 eingestellt hatte (128 €/MWh), ergibt sich für ein Unternehmen, das keine Entlastung von den staatlichen Umlagen und Netzentgelten erhält, die Beispielrechnung aus Abb. 2.
Abhängig vom Einkaufszeitpunkt kann die Kos- tenveränderung höher oder niedriger ausfallen. Größere Unternehmen, die nahe oder vollstän- dig am Spotmarkt einkaufen, sind mit einer Preissteigerung von 147 Prozent konfrontiert. Für diese Unternehmen können die Stromkos- ten auf Jahressicht um 70 Prozent steigen, ab- hängig von der weiteren Entwicklung im laufen- den Jahr.
Die dargestellten Berechnungsbeispiele zeigen, dass die Energiekosten für viele Unternehmen im Jahr 2022 massiv ansteigen und mindestens für die energieintensiven Stahlverarbeiter eine existenzbedrohende Dimension haben. Effizienz maßnahmen können diese Entwicklung kurzfris- tig sicher nicht abmildern und keinesfalls kom- pensieren. Abhängig von den örtlichen Gege- benheiten kann die Umstellung auf eine Eigen- versorgung mit regenerativem Strom Entlastung bringen, allerdings nur für die strombasierten Prozesse. Auch das lässt sich jedoch kaum kurzfristig umsetzen.
Helfen könnte die Politik, zumindest im Hinblick auf die Stromkosten. In der Beispielrechnung machen die staatlichen Preisbestandteile im Jahr 2022 trotz gesunkener EEG-Umlage immer noch mehr als 6 Cent/KWh aus. Würde die Bun- desregierung die Umlagen aus dem Staatshaus- halt finanzieren und die Stromsteuer auf das europäisch festgesetzte Mindestmaß absenken, könnte der Gesamtstrompreis auf das Niveau des Vorjahres abgesenkt werden. Zu begrüßen ist daher, dass zumindest die für das Jahr 2023 vorgesehene Abschaffung der EEG-Umlage auf Mitte 2022 vorgezogen werden soll.
Der politische Einfluss auf den Erdgaspreis ist erkennbar geringer, allerdings dennoch vorhan- den und sollte ebenfalls genutzt werden. Ein Aussetzen der nationalen CO2Abgabe könnte zumindest einen Teil der Kostenerhöhung kom- pensieren. Beide Maßnahmen – die Finanzie- rung der Strom-Umlagen aus dem Staatshaus- halt und das Aussetzen der CO2Abgabe sind geboten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deut- schen Industrie auf europäischer Ebene wieder- herzustellen.
Auf internationaler Ebene stellt der Internationa- le Währungsfonds in seinem jüngsten World Economic Report fest, dass die Energiepreise in Europa stärker angestiegen sind, als in anderen Regionen. Auch hier ist die Politik gefordert und aufgerufen, die geopolitischen Spannungen an den osteuropäischen Grenzen abzubauen. Soll- te dies nicht gelingen, könnten noch deutlich hö- here Energiepreise drohen. Dann bliebe nur noch die Flucht in die Erneuerbaren Energien, fraglich jedoch, ob diese für die Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung rechtzeitig ge-
lingen kann.
K
Dipl.-Kaufmann Holger Ade
Leiter Industrie- und Energiepolitik
WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. Goldene Pforte 1
58093 Hagen
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Nachrichten 1-2022
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