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Aktuelles aus Wirtschaft & Politik Wasserstoff H2 - + OH- H3O+ OH- H3O+ H2O Sauerstoff O2 OH- H3O+ Was wird eine echte „grüne“ Stahlherstel lung für die Unternehmen und ihre Mitarbei ter mit sich bringen? Prof. Günther: Die Unternehmen werden ihre Anlagen sukzessive komplett umstellen und ste- hen ebenso vor einem großen Um- und Ausbau der Infrastruktur. Das bringt große Investitions- projekte und Risiken mit sich. Damit werden auch neue Anforderungen an die Qualifizierung der Mitarbeiter einhergehen. Es wird aber nicht nur die Stahlindustrie betref- fen. Wir stehen aufgrund der Klimakrise vor ei- ner epochalen Welle von Veränderungen in fast allen Lebensbereichen. Die Veränderungen sind aber die einzige Möglichkeit, um den negativen Folgen des Klimawandels zu begegnen. Ohne staatliche Hilfen – Stichwort: „Green Deal“ – wird dies nicht möglich sein. Wie wird sich fossilfrei produzierter Stahl in den Verbraucherpreisen niederschlagen? Prof. Günther: Fossilfrei produzierter Stahl wird nur durch große Investitionen in neue Anlagen und Infrastrukturen möglich sein. Diese werden sich in höheren Preisen für stahlintensive Kon- sum- und Investitionsgüter niederschlagen. Nach derzeitigen Schätzungen wird der Preis für Stahl um 50 bis 80 Prozent steigen. Haben die deutschen Stahlhersteller dann überhaupt noch eine Chance auf dem Weltmarkt? Prof. Günther: Das wird in hohem Maße von han- dels- und klimapolitischen Entscheidungen und von internationalen Abkommen abhängen. Die deutschen und europäischen Stahlproduzenten standen und stehen unter einem sehr hohen inter- nationalen Wettbewerbsdruck. Mit der Hervor- bringung neuer, sogenannter sauberer Technolo- gien kann die deutsche und europäische Industrie aber insgesamt wiederum Vorteile generieren. Die Verflechtungen sind deutlich komplexer, als man auf den ersten Blick vermutet. Wird die Stahlindustrie die europäischen Klimaziele einhalten können, also eine FossilenergieReduktion um 65 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045)? Prof. Günther: Mit sehr großen Anstrengungen aller Beteiligten sollte das möglich sein, denn die Zeit drängt. Eine schnelle Umsetzung der er- forderlichen Maßnahmen wird entscheidend sein – vor allem der Ausbau erneuerbarer Ener- gien mittels beschleunigter Genehmigungsver- fahren, Aufbau von Elektrolyseurkapazitäten, Ausbildung der Fachkräfte, Schaffung der Trans- portinfrastruktur und eine internationale Zusam- menarbeit. Wir danken Ihnen für das Gespräch. K Nachrichten 4-2021 14 Kathode Anode