Page 5 - WSM-Nachrichten 01/2022_neu
P. 5
Aktuelles aus Wirtschaft & Politik WSM im Gespräch „Potenziell besteht die Gefahr, dass ganze industrielle Wertschöpfungsketten in andere Weltregionen abwandern“ Prof. Dr. Christoph Weber, Universität Duisburg-Essen 5 Nachrichten 1-2022 Die EU-Energieminister haben den Mit- gliedsstaaten ein Handlungspaket an die Hand gegeben, mittels dessen die Energie- kosten kurzfristig reduziert werden könn- ten. Es handelt sich um Reduzierungen der staatlichen Preisbestandteile wie Steuern und Umlagen. Erwarten Sie, dass die Bun- desregierung diesen Instrumentenkasten nutzen wird, um auch die Kosten für Indust- riebetriebe zu begrenzen? Weber: Die Bundesregierung hat deutlich ge- macht, dass sie die Preissteigerungen an den Energiemärkten durch Reduzierung staatlicher Preisbestandteile reduzieren will. Insbesondere wird ins Auge gefasst, den Wegfall der EEG- Umlage vorzuziehen. Hier wird kaum zwischen Haushalten und Unternehmen differenziert wer- den. Dadurch gibt es eine Entlastung beim Strom insbesondere für diejenigen Unterneh- men, die bislang die volle EEG-Umlage gezahlt haben. Die energieintensiven Unternehmen, bei denen die Energiekosten einen hohen Anteil an den Herstellkosten ausmachen, profitieren jedoch häufig nicht von dieser Maßnahme, da sie be- reits weitgehend von der EEG-Umlage befreit sind. Besonders stark war der Preisanstieg im ver- gangenen Jahr jedoch beim Erdgas. Da sind die staatlichen Preisbestandteile deutlich geringer und dementsprechend auch die Handlungs- spielräume. Hier nehme ich bislang auch keine Überlegungen wahr, die Energiesteuer oder die CO2-Bepreisung entsprechend dem Brennstoff- Energie-Handelsgesetz (BEHG) auszusetzen. Gerade letzteres erscheint wegen der klimapoli- tischen Ziele der neuen Bundesregierung auch unwahrscheinlich. Innerhalb der EU gibt es Stimmen, die eine Änderung des Marktmechanismus einfor- dern (Stichwort: Merit Order). Wie könnte ein anderes Modell aussehen, und welche Vor- und Nachteile hätten die Alternativen für deutsche Industriebetriebe im europäi- schen Wettbewerb? Weber: Eine Preisbildung für Güter am Markt auf Basis von Grenzkosten wie bei der Merit Or- der, also die durch die Grenzkosten der Strom- erzeugung bestimmte Einsatzreihenfolgen von Kraftwerken, entspricht nach der gängigen öko- nomischen Theorie einem effizienten Markter- gebnis und führt auch zu optimalen Anreizen für Prof. Dr. Christoph Weber Foto: privat