Page 19 - WSM-Nachrichten 01/2022_neu
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Aktuelles aus Wirtschaft & Politik Das angestrebte Ziel der Klimaneutralität Viele Länder streben die Klimaneutralität bis 2050 an, Deutschland schon bis 2045. Damit verbunden ist ein epochaler Umbau des Wirt- schaftssystems, der langfristig zu deutlich ge- ringeren Energiepreisen und Preisschwankun- gen führen sowie die Abhängigkeit von gas- oder erdölexportierenden Ländern deutlich reduzie- ren wird. An den Börsen sind zum Teil spekula- tive Tendenzen zu erkennen, zum Beispiel beim CO2-Zertifikate-Handel. Schon im Jahr 2030 soll der Strom in Deutschland zu 80 Prozent aus Sonne und Wind produziert werden, so das Ziel der Regierung. Zur Überbrückung während des Ausbaus der regenerativen Energiequellen und als Ersatzkapazität braucht es steuerbare Kraftwerke und Stromspeicher. Bis 2030 sollen daher zahlreiche Gaskraftwerke installiert wer- den, die flexibel hochgefahren werden und über längere Zeit Strom liefern können – perspekti- visch auch mit Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen. Die nachfolgenden Graphiken zeigen die indi- zierten Preisentwicklungen für Gas und Strom sowie für Eisen und Stahl seit 2018: Grafik Strom- und Erdgaspreise 2018 – 2021 Grafik Eisen- und Stahlpreise 2018 – 2021 Was heißt das jetzt für die betroffenen Unter- nehmen? Und welche Strategien können sie verfolgen? Die Problemstellung Hohe Energiekosten wirken sich sowohl direkt als auch indirekt auf die finanzwirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen aus: direkt durch höhere eigene Energiekosten in den Fertigungs- prozessen, beim Heizen von Gebäuden oder bei Logistik- oder Fuhrparkaufwendungen, sowie in- direkt zum Beispiel durch höhere Materialein- standspreise oder externe Logistikkosten. Planbarkeit und Prognosefähigkeit waren zuletzt aus Unternehmenssicht erheblich einge- schränkt, zumindest sofern die Energiebedarfe nicht bereits sehr frühzeitig abgesichert wurden. Die erwarteten Preisentwicklungen waren im Budget für 2022 zwar berücksichtigt und die Preislisten aktualisiert worden. Viele Unterneh- men hatten ihre Preise für Gas und Strom für 2022 jedoch nicht vollständig abgesichert. Sie müssen ihre Energiebedarfe für das laufende Jahr, zumindest für seine ersten Monate, auf ei- nem sehr hohen Preisniveau oder alternativ kurzfristig sehr teuer am Spotmarkt decken – anders als geplant. Viele Unternehmen in der metallverarbeitenden Industrie erhielten im Oktober 2021 Schreiben von ihren Stahllieferanten und wurden über er- hebliche Grundpreis- und/oder Energieteue- rungszuschläge informiert – trotz gültiger Jah- resverträge teils bereits mit Wirkung zum 1. November 2021. Vor allem Unternehmen mit energieintensiven Geschäftsmodellen stellt dies vor große Herausforderungen, zumal ein Groß- teil der Aufträge für 2022 bereits gegenüber den Kunden (in der Preisstellung) bestätigt wurde. Bei typischen Materialeinsatzquoten zwischen 35 und 50 Prozent der Gesamtleistung und den 19 Nachrichten 1-2022 Foto: lovelyday12 - stock.adobe.com