Industrielle Versicherungen (XXXIII)

Produkthaftung im Reich der Mitte.

Während in der westlichen Welt Covid-19 weiterhin das bestimmende Thema ist, scheint im fernen Osten das Leben in weiten Teilen wieder normal zu sein. Deshalb rückt der ostasiatische Raum, insbesondere Chna, weiter in den Fokus.

In der Septemberausgabe 2018 der WSM-Nachrichten haben wir das Thema Produkthaftung in den USA beleuchtet. In den USA besteht ein enormes Haftungspotenzial für Herstellungs-, Produktbeobachtungs-, Konstruktions- und Instruktionsfehler. Besonders im Bereich Produktinstruktionen werden extrem hohe Anforderungen gestellt. Fehlende Sicherheitshinweise oder Fehler in der Betriebsanleitung sind dementsprechend die Achillesferse einer Ware und der häufigste Grund für Klagen gegen den Hersteller. So können selbst bei fehlerfreien Produkten Produkthaftungsschäden mit hohen Schadenssummen entstehen.

Wesentlich geräuscharmer – weil auch günstiger – verlaufen solche Fälle in China. Doch auch hier gilt Vorsicht: Nach dem rasanten Wachstum des Automobilmarktes fand dort eine spürbare Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften zur Produkthaftung statt. Nicht zuletzt zeigt sich dies in der steigenden Zahl von Rückrufaktionen. Zusätzlich bildete sich in den vergangenen Jahren in China ein größeres Bewusstsein für Verbraucherrechte heraus.

Im Gegensatz zu Europa und den USA, wo der Konsumentenschutz stark ausgeprägt und weit entwickelt ist, befindet sich das Thema in China sowohl aus rechtlicher als auch aus Verbrauchersicht noch in den Kinderschuhen. Seit den 1990er Jahren intensiviert die chinesische Regierung allerdings ihre Bestrebungen, die haftungsrechtlichen Regelungen an europäische Standards anzupassen. Demnach haften auch hier Hersteller und Vertriebshändler in enger Anlehnung an europäische Richtlinien für durch Produktionsfehler, fehlerhaftes Design oder unzureichende Gebrauchs- und Funktionsanleitungen verursachte Personen und Sachschäden.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen deutschem und chinesischem Recht ist, dass die Gesetze und Vorschriften im Bereich der Produkthaftung in China systematisch nicht scharf voneinander abgegrenzt werden. Die Abgrenzung von vertraglichen Mängelrechten und Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz, welche aus Deutschland bekannt ist, findet in dieser Form in China weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtsprechung statt. Produkthaftung bezeichnet in China zum Großteil die Verantwortlichkeit für Verstöße gegen produktqualitätsrelevante Bestimmungen. Im chinesischen Recht steht die Produktqualität im Vordergrund, wohingegen das deutsche Produkthaftungsgesetz den Fokus auf die Produktsicherheit legt.

Zuletzt vereinheitlichte und fasste das im Juli 2010 in Kraft getretene Deliktgesetz, das die bis dato geltenden Regeln des Produktqualitätsgesetzes (PQG) ergänzt und erweitert, die in verschiedenen gesetzlichen Grundlagen verstreuten deliktrechtlichen Regelungen zusammen. Es führte darüber hinaus die Produktbeobachtungsverpflichtung gesetzlich ein und verankerte erstmals einen Schadenersatz für psychische und emotionale Belastungen. Des Weiteren ist es in bestimmten Fällen möglich, neben einem rein kompensatorischen Schadenersatz auch Strafschadenersatz zuzuerkennen – ähnlich den amerikanischen „punitive damages“. Dass sich in China eine übertriebene Interpretation der Produkthaftung wie in den USA durchsetzt, ist aber eher unwahrscheinlich.

Der mittlerweile schärfere Kurs der chinesischen Behörden ist durchaus positiv zu bewerten. Denn für europäische Unternehmen bedeutet dies Rechtssicherheit gegenüber regresspflichtigen chinesischen Zulieferbetrieben. So ist es keineswegs schwieriger, in China Schadensersatzansprüche zu stellen, Prozesse wegen mangelhafter Produkte zu führen sowie Urteile vollstrecken zu lassen als in europäischen Ländern.

Ein Wermutstropfen für Rechtsanwender mag immer noch die teilweise Überschneidung von neueren mit älteren, nicht aufgehobenen Gesetzen sein. Für Exporte von Produkten nach China greift in der Regel die deutsche Produkthaftpflichtversicherung. Sollten Unternehmen hingegen direkt in China produzieren oder mit einer Niederlassung vor Ort aktiv sein, ist es sinnvoll diese Aktivitäten auf dem chinesischen Markt mit einer lokalen Produkthaftpflichtversicherung abzusichern. Damit die lokale Deckung in China den deutschen Ansprüchen genügt, sollte ein internationales Versicherungsprogramm in Betracht gezogen werden. Sprechen Sie hierzu am besten Ihren Versicherungsmakler an.

Ansprechpartner

Dennis Gottschalk
VSM Versicherungsstelle 
Stahl- und Metallverarbeitung GmbH
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