Page 11 - WSM 3-2021_NEU_5.10.
P. 11

 11 Nachrichten 3-2021 Aktuelles aus Wirtschaft & Politik bewerbsfähig bleiben. Andernfalls droht eine Ver- lagerung der Produktion und damit der zugehöri- gen Emissionen an Standorte außerhalb des Geltungsbereichs des EU-ETS. Dies würde zwar die europäische Emissionsbilanz verbessern, für die Bekämpfung des Klimawandels wäre aller- dings wenig gewonnen. Angesichts der häufig niedrigeren Klimaschutzanforderungen im Ver- gleich zu Standorten in Europa drohen sogar ne- gative Effekte für den weltweiten Klimaschutz, sollte es tatsächlich zu diesem sogenannten Car- bon Leakage kommen. Weltweit unterliegen jedoch erst etwa 20 Prozent der globalen Emissionen einer direkten CO2-Be- preisung, und die regionalen CO2-Preise liegen meist unter dem europäischen Zertifikatspreis. Die europäischen Industrieunternehmen stehen deshalb angesichts der Zielverschärfung in Euro- pa vor der Herausforderung, ihre Produktion so zu transformieren, dass sie mit dem Ziel der Kli- maneutralität vereinbar wird. Gleichzeitig erhöht das den Druck auf ihre Wettbewerbsfähigkeit mit internationalen Konkurrenten, die nicht einer ver- gleichbar ambitionierten Klimapolitik unterworfen sind. Die Zertifikatspreise im EU-ETS haben zu- letzt deutlich angezogen, und die Regeln zur kos- tenfreien Zuteilung werden schon jetzt zuneh- mend strenger. Im Rahmen des Fit-for-55-Pakets ist vorgesehen, nicht nur die höchstzulässige Menge der Emissionszertifikate schneller zu sen- ken, sondern auch die kostenlose Zuteilung schrittweise auslaufen zu lassen. Dies ist inso- fern mittelfristig auch unvermeidlich, da die ins- gesamt zur Verfügung stehende Menge an Zerti- fikaten immer knapper wird. Schon bei der Präsentation ihres Green Deals hat die EU-Kommissionen angekündigt, die bis- her bestehenden Maßnahmen durch einen Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) auf Emissionen von importieren Industrieprodukten abzulösen. Der nun vorliegende finale Vorschlag der Kom- mission sieht die Einführung eines solchen CBAM für die Einfuhr von Grundstoffen aus den Branchen Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Strom vor. Schrittweise soll dieser Mechanismus ab 2026 die bisherigen Maßnahmen gegen Carbon Leakage ersetzen. Innerhalb von zehn Jahren wird die kostenlose Zuteilung jährlich um zehn Prozentpunkte ge- kürzt und der CBAM dort aufgebaut, wo keine kostenfreien Zertifikate mehr zugeteilt werden. Dadurch werden sich die betroffenen Grundstof- fe innerhalb der EU nach und nach verteuern, denn sowohl die einheimischen Produzenten haben höhere CO2-Zertifikatskosten zu schul- tern als auch die Importeure, die den entspre- chenden CO2-Preis auf die eingeführten Pro- dukte zu zahlen haben. Im Hinblick auf die Konkurrenz zwischen Impor- teuren und einheimischen Produzenten der vom CBAM erfassten Grundstoffprodukte sorgt der Mechanismus auf diese Weise für eine Balance der Wettbewerbsbedingungen. Für die Kunden der Grundstoffproduzenten werden in Europa er- worbene Produkte jedoch schlicht teurer – im Vergleich zu unverändert preisgünstigen Produk- ten außerhalb der EU. Ihre außereuropäischen Konkurrenten erhalten dadurch einen Kostenvor- teil. Europäische Unternehmen können die ge- stiegenen Kosten durch die Kürzung der kosten- losen Zuteilung beziehungsweise der mit dem Grenzausgleichpreis belegten Importprodukte nur dadurch vermeiden, dass sie selbst ihre Pro- duktion aus Europa heraus verlagern. Durch den Druck,deneinzunächstaufdieCO2-intensiven Grundstoffe konzentrierter Grenzausgleichsme- chanismus auf die Wettbewerbsfähigkeit der Kunden ausübt, steigt das Carbon Leakage Risi- ko auf den nachgelagerten Stufen der Wert- schöpfungskette.AufgrundderzusätzlichenKos- tenbelastungen, die für Produkte etwa der Stahl     Foto: NicoElNino/stock.adobe.com 


































































































   9   10   11   12   13