Page 10 - WSM Nachrichten 2-2022
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Aktuelles aus Wirtschaft & Politik
tierenden Akteuren in Russland auf überschau- baren Einfluss von Sanktionen auf die breite Be- völkerung deutet. Politischer Druck kann so kaum erzeugt werden.
Auch wird der Einfluss von Sanktionen auf Russ- land durch Länder wie China oder Indien unter- graben. Dies gilt vor allem für Rohstoffe wie Öl, deren Lieferung keine aufwändige Infrastruktur benötigt. Darüber hinaus sollte die Bundesregie- rung nicht das durch Sanktionen verursachte Risiko für die heimische Wirtschaft unterschät- zen – auch wenn Modellschätzungen einen messbaren und überschaubaren Einfluss unter- stellen. Denn die Folgen eines weitreichenden Embargos gegen Russland sind nicht abschätz- bar – unter anderem, weil Verhaltensänderun- gen in Folge von Krisen kaum vorhersehbar sind.
Die Lösung für verlässliche Rohstoffimporte aus dem Ausland liegt weniger in der Sicherung langfristiger Lieferbeziehungen. Denn diese sor- gen nicht für größere Sicherheit, sondern ver- stärken eher die Abhängigkeit. Auch bestehen oftmals Lieferbeziehungen zu Ländern mit insta- bilen politischen Strukturen, die sich schnell än- dern können. Die Lösung für mehr Versorgungs- sicherheit liegt also eher in der Diversifikation. Da die Einfuhr von Rohstoffen und Produkten mit niedriger Wertschöpfung für das deutsche Wirtschaftswachstum unvermeidlich ist, ist es umso wichtiger, die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern grundsätzlich zu reduzieren. Ent- scheidend ist mehr Globalisierung und damit Di- versifikation – gerade in Rohstoffmärkten mit oligopolistischen Strukturen, bei denen also ein einzelnes Land den Markt entscheidend beein- flussen kann. Denn aktuell verleiht eine solche Situation Russland Verhandlungsmacht.
Abbildung 2
Weltweite Exportanteile bei Aluminium
Ein Boykott von russischem Gas oder Metallen hilft der Ukraine wenig, belastet aber die Fähig-
keit der deutschen Industrie und der europäi- schen Wirtschaft im Allgemeinen, ihre Wert- schöpfung zumindest kurz- bis mittelfristig auf- recht zu halten. Dies kann weder im Interesse Deutschlands noch der Ukraine sein. Im Gegen- teil, die Ukraine braucht wirtschaftlich starke Partner, die ihr unter die Arme greifen – beim Wiederaufbau wie auch beim Widerstand ge- genüber Russland.
Langfristig muss das Ziel sein, die Marktstellung Russlands nicht durch Sanktionen zu reduzie- ren, sondern durch eine spürbare globale Ange- botserweiterung bei Rohstoffen. Nur so sind politische Ziele und steigender Wohlstand in Einklang zu bringen. Allerdings sind hierfür hö- here Rohstoffpreise notwendig – und dies auf globaler und nachhaltiger Basis. Dies wird je- doch ebenfalls nicht durch die Sanktionierung russischer Rohstofflieferungen erreicht. Denn das reduzierte Angebot betrifft nur Länder, die Sanktionen verhängen, während andere Länder sogar aus einem Überangebot aussuchen kön- nen – zumindest mittel- bis langfristig. Das führt wiederum zu Wettbewerbsverzerrungen. Des- halb tut Deutschland gut daran, seine Rohstoff- abhängigkeit grundsätzlich zu diversifizieren, bevor Sanktionen als politisches Druckmittel auf
breiter Basis angewandt werden.
Dr. Klaus Bauknecht
Chefvolkswirt
IKB Deutsche Industriebank AG
Wilhelm-Bötzkes-Str. 1
40474 Düsseldorf
Telefon: 0211/8221-4118 klausdieter.bauknecht@ikb.de www.ikb.de
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Nachrichten 2-2022
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Foto: IKB Deutsche Industriebrank AG














































































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