Page 6 - WSM Nachrichten 1-2021
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Link zu den IKB-Rohstoffpreisen Dr. Heinz-Jürgen Büchner Aktuelles aus Wirtschaft & Politik bauten, und auch das Aufkommen von Neu- schrotten aus der Automobilindustrie und dem Maschinenbau ist immer noch nicht auf dem langfristigen Normalniveau. Dies bewirkte die erheblichen Preisausschläge. Aber auch die Ei- senerznotierungen legten am Spotmarkt kräftig zu. Insgesamt findet bei den Stahlherstellern und deren Weiterverarbeitern zunächst mal ein weitgehend normaler Lageraufbau statt, wie wir ihn meistens zu Jahresbeginn sehen. Dieser fällt unseres Erachtens auch nicht stärker im Ver- gleich zu früheren Jahren aus. Insbesondere die Anbieter von Warmband und Walzdraht haben im Sommer 2020 Produktionskapazitäten aus dem Markt genommen, wodurch jetzt Knappheiten die Preise treiben. Wie wird sich das nach Ihrer Einschätzung in 2021 weiterentwickeln? Büchner: Was wir von Kunden aus der Branche hören, ist, dass es wohl zu einem vorsichtigen Hochfahren der Produktion kommen wird. Die Auf- tragsbücher der Stahlunternehmen sind wieder deutlich besser gefüllt, die Automobilzulieferer be- richten ebenfalls von einem guten Abrufverhalten der OEM, so dass wir 2021 eine deutliche höhere Produktion von Warmbreitband und Walzdraht er- warten dürften. Dies gilt natürlich nur unter der Prämisse, dass es nicht zu einem erneuten Lock- down im produzierenden Gewerbe kommt. Viele Stahlverarbeiter in Deutschland be- kommen nicht ausreichend Vormaterial und müssen große Preissteigerungen hinnehmen. Was empfehlen Sie denen? Büchner: Aufgrund der aktuellen Knappheit soll- te man im Prinzip nur die zunächst unbedingt not- wendigen Mengen ordern. Ent- scheidend für die Entwicklung der Stahlpreise im Jahr 2021 wird sein, ob sich der im Dezember 2020 und Anfang 2021 bei den Vor- materialpreisen beobachtete Trend fortsetzt. So haben zuletzt die Eisenerznotierungen am Spot- markt kräftig zugelegt. Allerdings erwarten wir hier im Jahresverlauf eine Entspannung, da wir davon ausgehen, dass sich die Förderung in den brasilianischen Eisenerzbergwerken von Vale weiter deutlich erholen dürfte. Die Produktion dort war nach dem schweren Unglück im Jahr 2019 stark zurückgefahren worden, da für etliche Minen hohe Nachrüstungsinvestitionen angeord- net worden waren. Die zunehmende Förderung in Vale nimmt dann auch bei den Stahlkochern etwas vom Preisdruck. Allerdings haben auch die Preise für CO2-Emissionszertifikate kräftig angezogen. Insgesamt sollte es bei einer anzie- henden Stahlproduktion wieder zu einer leichten Entspannung der Preise kommen. Einige Stähle aus Drittländern gelangen nicht mehr so einfach nach Europa, weil Handelsbarrieren zunehmen. Trägt dieser Umstand eine Mitverantwortung für die Knappheiten? Büchner: Wir schließen nicht aus, dass dies bei einzelnen Stahlsorten der Fall ist. Allerdings hal- ten wir auf der Ebene der Stahlproduktion faire Wettbewerbsbedingungen für notwendig. Eine ganze Reihe von Drittstaaten haben in der Ver- gangenheit versucht, Stahl zu Dumpingpreisen in die EU zu exportieren. Hier sind doch Safegu- ard-Maßnahmen erforderlich. 6 Nachrichten 1-2021 Wir danken Ihnen für das Gespräch. K Foto: IKB